Tipps zur Chat- und Mail-Seelsorge

Seelsorge im Chat oder per Mail ist anders. Man sieht und hört sich nicht. Man riecht sich nicht. Man kann nicht erkennen, wie das Gegenüber auf eine Frage oder Aussage reagiert. Und manchmal muss man auf eine Antwort warten oder gar ganz verzichten, weil das Gegenüber gerade nicht online ist oder nicht (mehr) antworten will.

Wie kann Seelsorge unter diesen anderen Bedingungen des Internet trotzdem gut laufen?

  1. Stell dich selbst vor – kurz und knackig. Wer bist du? Warum bist du in der Digitalen Seelsorge aktiv? Was sind deine Erfahrungen und Kompetenzen?
  2. Kläre – soweit nötig – den Rahmen der Beratung: Regeln, Dauer, Frequenz?
  3. Sei neugierig. Viele Menschen schreiben heute so, wie sie sprechen. Gerade in Chat du Email geht es weniger um genau überlegte Sätze und korrekte Satzzeichen. Wir tippen drauflos und schreiben, was uns auf der Seele brennt. Auf der einen Seite ist das gut. Auf der anderen Seite entstehen so schnell Missverständnisse.
    Für Seelsorger*innen gilt darum: bleib neugierig!
    Bevor du aus den geschrieben Sätzen der ratsuchenden Person irgendwelche Schlüsse ziehst und schon eine Antwort in die Tasten schlägst, frage dich, ob du wirklich alles gut verstanden hast. Lies zwischen den Zeilen. Versuche, eine Absicht zu erkennen. Und frage bei Unsicherheiten und missverständlichen Formulierungen noch mal gezielt nach.
    Hab ich das so richtig verstanden? Wollen Sie mir dies oder jenes mit ihren Aussagen mitteilen? Können Sie es für mich noch einmal anders formulieren bitte?
    Dein Gegenüber wird es zu schätzen wissen, wenn du um ein genaues Verständnis bemüht bist und dir Mühe gibst, dich in diese Person und ihren Text hinein zu versetzen.
  4. Es ist immer wieder erstaunlich, aber schriftlich äußern sich viele Menschen viel freimütiger als im persönlichen Gespräch. Ihre Bereitschaft „auszupacken“ und die eigenen Probleme auf den Tisch zu legen, ist oft größer und man kommt im Chat oder per Email häufig schneller zum Punkt.
    Als Seelsorgende dürfen wir diese Bereitschaft mit viel Empathie und Wertschätzung würdigen. „Danke, dass Sie das so offen sagen mögen.“ – könnte ein wertschätzender Satz sein. Und umso mehr wollen wir uns Mühe geben, die Zwischentöne des Geschriebenen zu erfassen. Dazu fragen wir auch gerne noch einmal zurück. Das hilft dann auch, den Beratungsauftrag zu ermitteln und zu klären.
  5. Menschen beschreiben Dinge meistens in ganz anderen Worten, als sie diese besprechen würden. Darum ist es wichtig, mitzuteilen, was wir wie verstanden haben (und ob wir damit wohl richtig liegen?). Wenn dann das Thema klar, das Problem deutlich geworden ist, kann die Beratung weitergehen und in konkrete Schritte zur Problemlösung münden.

Techniken zur Textanalyse, weitere Tipps, Methoden und Leseübungen zur schriftlichen Online-Seelsorge finden sich in diesem Fachbuch:

Engelhardt, Emily, Lehrbuch Onlineberatung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2018.

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